Horst Imdahl - Notruf113

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Horst Imdahl

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Rede des Geschäftsführers der Städtischen Kliniken Mönchengladbach GmbH, Horst Imdahl, die als "Wort zur Sache" im Rahmen des 19. Gesundheitspolitischen Montagsgebets am 29.10.2012 in der Elisabethkirche in Marburg gehalten wurde.

Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlichen Dank für die Einladung, heute Abend hier in der Elisabethkirche zu Ihnen sprechen zu dürfen. Als Geschäftsführer eines Elisabeth-Krankenhauses fühlt man sich da gleich zu Hause. Das mir gestellte Thema lautet: "Klinikprivatisierung in der Vergangenheit und in der Zukunft". Gestatten Sie mir noch einige Sätze zu mir und meinen beruflichen Erfahrungen.

Ich bin seit 1976, also seit über 36 Jahren in verantwortlichen Positionen im Krankenhaus tätig, derzeit als Geschäftsführer der Städtischen Kliniken Mönchengladbach GmbH, zu der das Elisabeth-Krankenhaus Rheydt mit 577 Betten gehört. Ich blicke auf 8 Jahre leitende Tätigkeit in konfessionellen Häusern, 12 Jahre bei kommunalen und 15 Jahre bei privaten Trägern zurück, wobei ich von den 15 Jahren bei der Sana, dem privaten Träger , auch 5 Jahre von 1994 bis 1999 im Rahmen eines Managementvertrages für einen bayerischen kommunalen Klinikverbund gearbeitet habe. Die in den 15 Jahren von 1984 bis 1999 gemachten Erfahrungen machten mich zu einem überzeugten Privatisierungsbefürworter. Allerdings musste ich erkennen, dass mit den seit 1995 sukzessive sich ändernden Rahmenbedingungen, zuletzt durch die Einführung der DRGs, die bis dahin eingesetzten Instrumente und Maßnahmen zur Sanierung defizitärer öffentlicher Kliniken nicht mehr ausreichten, so dass die Privaten heute, um erfolgreich zu sein, auch zu Maßnahmen greifen, die früher denkunmöglich waren, aber auch unnötig waren.

Ich kann heute den Privatisierungen nichts Positives abgewinnen. Aber der Reihe nach. Ich kam 1984 zu den Sana-Kliniken, einer Gesellschaft, die von Unternehmen der privaten Krankenversicherung getragen wird, in einem Jahr, in dem die beiden ersten materiellen Privatisierungen in Deutschland stattfanden: in Hemer ging das kommunale Haus an die Paracelsus-Gruppe, und die Stadt Hürth übertrug ihr Gemeindekrankenhaus an die Sana (1). 2 Jahre später titelte das Handelsblatt zu Hürth: "Ein marodes Gemeindekrankenhaus bei Köln wurde in wenigen Monaten saniert" (2). Ganz so schnell ging es zwar nicht, aber die Schlagzeile enthielt eine Botschaft, und zwar eine damals richtige: Es ist für einen privaten Träger kein Problem, ein ehemals kommunales Haus zu sanieren und in die Gewinnzone zu führen. Woran lag das?
In den 1970er Jahren war das kommunale Krankenhaus ein Teil der öffentlichen Verwaltung (Amt 51) und wurde entsprechend geführt, sprich verwaltet. Der Verwaltungsleiter kam aus der Trägerverwaltung (Stadt, Kreis) und hatte in der Regel keine krankenhausspezifische Erfahrung, meistens auch keine kaufmännische und erst Recht keine akademische Ausbildung. Er hing am Gängelband der kommunalen Gremien, hatte kaum eigenen Entscheidungsspielraum, notwendige Entscheidungen wurden nicht oder oft zu spät gefällt. Leitende Positionen, auch auf Chefarztebene, wurden politisch besetzt. Bezahlt wurde nach dem BAT. EDV war zumindest in dem Teil kommunaler Träger, den ich damals überblickte, die absolute Ausnahme.
Der private Träger hatte bereits 1984 professionelle Strukturen: eine Zentrale, die mit krankenhauserfahrenen Mitarbeitern besetzt war, eine dezentrale Führungsstruktur mit Verwaltungsleiter/Geschäftsführer vor Ort, die über eine entsprechende Ausbildung und Erfahrung verfügten und eine weitestgehende Unabhängigkeit bei der Führung des Krankenhauses besaßen, eine Bezahlung, die sich nicht am BAT, also auch nicht am Lebensalter und am Familienstand orientierte, sondern Ausbildung, Erfahrung und Leistung honorierte, ein gemeinsamer Einkauf, der damals zu deutlichen Einsparungen gegenüber dem der kommunalen Trägern führte, eine EDV, die die zur wirtschaftlichen Betriebsführung notwendigen Informationen lieferte, eine Holding, die monatlich durch die wichtigsten Kennziffern informiert wurde und bei Abweichung Hilfestellung gab, gemeinsam organisierte regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen, um auf dem neuesten Stand zu sein, die aber auch der Motivation der Mitarbeiter dienten.

Neben den innerbetrieblichen und strukturellen Vorteilen nutzten die Privaten aber damals auch die rechtlichen krankenhausspezifischen Rahmenbedingungen. Als die Sana das Haus in Hürth übernahm, galt noch der einheitliche Pflegesatz, und eine steigende Belegung führte 1:1 zu steigenden Einnahmen. Da das Hürther Haus eine Belegung von unter 75% im Jahr vor der Übernahme erreichte, war den Verantwortlichen klar, dass alleine eine Attraktivitätsverbesserung das Haus in eine wirtschaftlich sichere und erfolgreiche Zukunft führen würde. Also wurde ein Millionen-Zuschuss der Gemeinde - damals zahlten die Städte noch für die Übernahme des Krankenhauses - in einen Neubau mit neuen OP-Räumen und Patientenzimmern investiert. Neue Chefärzte wurden eingestellt und in der Folge dieser Maßnahmen stellte sich auch der wirtschaftliche Erfolg ein. Der Gewinn blieb aber damals im Krankenhaus und wurde investiert. Die Gesellschafter der Sana wollten nach eigenem Bekunden mit der Gesellschaft nur beweisen, dass man durch den Aufbau einer Kette Synergien erschließen und somit eine vorbildliche wirtschaftliche Betriebsführung darstellen kann. Gewinnerzielung war damals ausdrücklich nicht Zweck der Gesellschaft. Der Erfolg rief andere auf den Plan. 1987 wurde die Asklepios GmbH gegründet, aus der die Helios GmbH 1995 ausgegliedert wurde, Rhön begann erst ab 1993 außerhalb von Neustadt a.d.S. zu expandieren. Heute sind das die großen Player im Privatisierungsgeschäft: Helios, Asklepios, Rhön und Sana. Ihre Erfolge sind unbestreitbar. Im Jahre 2011 wurden bereits 33,1 % aller Krankenhäuser in privater Trägerschaft betrieben, 1991 waren es noch 14,9 % (3). In den neuen Bundesländern war allein zwischen 1991 und 1998 ein Rückgang der in öffentlicher Trägerschaft betriebenen Krankenhäuser um ca. 40 % festzustellen. Seit einiger Zeit stagniert ihr Anteil allerdings, obwohl von Fachleuten, zumindest solchen, die sich dafür halten, regelmäßig neue Privatisierungswellen vorausgesagt wurden, die aber nicht kamen.

Was hat sich verändert?
Viele kommunale Kliniken haben sich in wirtschaftlicher Hinsicht neu aufgestellt und damit eine Privatisierung überflüssig gemacht. Die kommunalen Klinken verfügen mit der EKK eG, der Einkaufsgenossenschaft kommunaler Kliniken, über eine Einkaufsmacht und entsprechende Einkaufskonditionen, die mit denen der privaten mindestens vergleichbar sind. Formelle Privatisierungen, also Rechtsformänderungen, meistens in die Rechtsform der GmbH, seltener in die des Kommunalunternehmens, haben die Entscheidungswege verkürzt und ins Krankenhaus verlagert. Managementstrukturen in den Kliniken sind Folge der Rechtsformänderung. Qualifizierte und erfahrene Krankenhausmanager haben dank umfangreicher Freiheiten im Tagesgeschäft und einer leistungsorientierten Bezahlung den Weg ins kommunale Krankenhaus gefunden. Der Einfluss der Politik beschränkt sich heute vielerorts auf die Kontrolle.Parallel zu den strukturellen und personellen Veränderungen in den kommunalen Kliniken haben sich auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dramatisch verändert. Üppige Budgets kommunaler Kliniken, die sozusagen den betriebswirtschaftlichen Erfolg der Privatisierung garantierten, gehören der Vergangenheit an. An ihre Stelle sind kalkulierte, kostenbasierte und landesweit einheitliche Fallpauschalen getreten, die den Weg zu einem mindestens ausgeglichenen Ergebnis deutlich erschwert haben und die Privaten vor neue und bisher nicht gekannte Herausforderungen gestellt haben. Wer unter diesen Bedingungen Gewinne in nennenswerter Größenordnung erzielen möchte oder muss, - 15 % Umsatzrendite ist schließlich eine Vorgabe - kann nicht anders als zu Maßnahmen zu greifen, die zumindest im Krankenhausbereich bis dahin unbekannt waren. Dabei wird deutlich, dass die Gewinnerzielung zum Maß aller Dinge wird und die Handlungsweisen bestimmt. Einige Beispiele.

Seit 2006 stellen die Asklepios-Kliniken in Lübben, Teupitz und Brandenburg/Havel bis auf die Ärzte neues Personal nur über Leiharbeit ein, um Tarifverträge zu umgehen. Eine Krankenschwester erhält so monatlich 250 Euro netto weniger als ihre angestellten Kolleginnen (4). Die Beschäftigten der Asklepios-Weserberglandklinik haben 10 Jahre keine Lohnerhöhung erhalten (5). Helios zahlt bei ihrer Servicegesellschaft für die Kliniken in Schwerin und Leezen Einstiegslöhne von 6,39 Euro (6). Unter der Überschrift "Gewinnmaximierung" berichtet die SHZ (Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag) über Vertragskündigungen durch den Helios-Konzern nach der Übernahme der Damp-Holding (7). Rund 1000 Mitarbeiter einer Servicegesellschaft erhalten die Kündigung, die erst nach massiven Protesten auch aus der Politik zurückgenommen werden. Rund eine halbe Milliarde Euro soll die Klinikkette für Damp auf den Tisch gelegt haben und dabei den Aktionären binnen fünf Jahren einen "Return on Investment" versprochen haben, d.h. bis 2016 soll die Kaufsumme erwirtschaftet werden (8). In Krefeld gibt Helios Anfang 2011 bekannt, dass sie weitere patientenferne Dienste auslagern und die Löhne um 25% kürzen will (9). Für das Jahr zuvor (2010) weist Helios einen Jahresüberschuss von 14,9 Mio. Euro aus (10). In Düsseldorf geben die Sana-Kliniken trotz eines in 2010 erzielten Jahresüberschusses von knapp über 1 Mio. Euro (11) bekannt, dass neue Angestellte nur noch über eine Leiharbeitsfirma (namens "Sana Personal Service") eingestellt werden, die dann bis zu 300 Euro weniger als ihre Kolleginnen und Kollegen verdienen (12). Ähnliche Vorhaben werden aus weiteren Kliniken des Konzerns gemeldet. Gleichwohl darf Sana damit werben, als familienorientierter Arbeitgeber ausgezeichnet zu sein (13).

Aber nicht nur die Mitarbeiter, auch die Patienten müssen zum Erfolg der Privaten beitragen. So schreibt die Sana im Lagebericht der zu ihrem Konzern gehörenden Herzzentrum Bad Oeynhausen: "Für 2009 ist vorgesehen, mit den Krankenhäusern der Sana Gruppe in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen zu Vereinbarungen zu kommen, die eine kontinuierliche Zufuhr der herzchirurgischen Patienten vorsehen" (14). Allein die Wortwahl macht schon deutlich, dass hier die Versorgung von Patienten nicht Zweck, sondern Mittel im Rahmen eines strategischen Unternehmens- und Marketingkonzeptes ist. Die Helios-Klinik in Schwerin behandelte in 2010 rd. 8,3 % mehr Patienten als im Vorjahr. Landesweit stieg die Zahl der stationären Behandlungen nur um 1,2 % (15). Die Helios-Klinik in Krefeld erreicht eine Sectiorate von 41,76 % und erzielt damit Mehreinnahmen gegenüber benachbarten Geburtskliniken, die ebenfalls Perinatalzentren Level 1 sind, aber eine deutlich niedrigere Sectiorate aufweisen, von über 400.000 Euro. (16) Kürzlich habe ich in einem Gespräch erfahren, dass Patienten aus der zum Rhön-Konzern gehörenden St. Barbara Klinik in Attendorn zu einer orthopädischen Operation in die Rhön Klinik Bad Berka verlegt werden. Ob es in NRW keine mindestens ähnlich qualifizierte Abteilungen gibt?

Aber selbst diese Maßnahmen verhindern nicht, dass die privaten Träger nicht nur schwarze Zahlen schreiben. Asklepios meldete vor einem Jahr für ihre Klinik in Burglengenfeld ein Minus von 2,45 Mio. Euro (17). Die Sana Kliniken Lübeck melden für 2010 einen Jahresfehlbetrag i.H.v. rd. 1,9 Mio. Euro (18). Die Sana-Klinikum Remscheid GmbH muss für 2008 einen Jahresfehlbetrag i.H.v. 2,5 Mio. Euro ausweisen und begründet das wie folgt: "Wesentliche Ursache für das weiterhin negative Ergebnis ist, dass die Belastungen durch die Neubaumaßnahme bisher nicht über eine entsprechende Umsatzsteigerung refinanziert werden konnten" (19). Paracelsus hat bis 2011 in ihrer Paracelsus-Klinik Henstedt-Ulzburg Verluste von 7,5 Mio. Euro angehäuft (Jahresumsatz 25 Mio. Euro) (20). Die zum Rhön-Konzern gehörige St. Elisabeth Krankenhaus GmbH Bad Kissingen muss für 2010 einen Jahresfehlbetrag von 1,1 Mio. Euro ausweisen (21). Solche Ergebnisse wären vor 15 Jahren undenkbar gewesen und sind sichtbarer Beweis für die Schwierigkeiten privater Träger, unter DRG-Bedingungen ihre wirtschaftlichen Ziele zu erreichen.

Die Privaten beteiligen sich auch kaum an der Weiterentwicklung des DRG-Systems. Warum ist das so? Der private Träger will seine Kalkulation nicht offenlegen. Denn sobald er seine Leistungen kostengünstiger anbieten kann, ist es für ihn vorteilhaft, seine Kalkulationsdaten zurückzuhalten. Würde er sie nämlich mitteilen, dann würde der Durchschnittswert der DRGs sinken und auch er selbst würde weniger erlösen. Er profitiert also von der Teilnahme der freigemeinnützigen und öffentlichen Träger, denn die sind an ein hohes Tarifgefüge gebunden und können bis auf wenige Ausnahmen nicht outsourcen, haben also notwendigerweise höhere Kosten, was den Durchschnittswert des DRG hochtreibt. Außerdem verwendet der private Träger Teile der in den DRGs kalkulierten Tarifgehälter für seine Kapitalgeber. Geld, das für die Bezahlung der Beschäftigten kalkuliert und über die DRGs gezahlt wird, wird diesen vorenthalten und zweckentfremdet verwendet.

Unter den DRG-Bedingungen muss auch die Weichenstellung bei dem Universitätsklinikum Gießen/Marburg korrigiert werden. Obwohl der Jahresabschluss 2011 (22), unterschrieben am 10. Mai 2012, die Feststellung trifft, dass sich der Wachstumstrend bei Umsatz und operativen Ergebnis auch im Geschäftsjahr 2013 und darüber hinaus fortsetzt, ruft der Konzern bereits im Februar 2012 einen radikalen Sparkurs aus (23) 500 Stellen sollen in den kommenden 2 Jahren in Marburg und Gießen gekürzt werden. Hauptgrund ist angeblich der Kostendruck im Gesundheitswesen. Im Lagebericht der Gesellschaft heißt es allerdings zu der Angabe von Vorgängen von besonderer Bedeutung nach dem Bilanzstichtag, also dem 31.12.2011, dass solche nicht vorliegen (24). Gegenüber der Presse begründet die Geschäftsleitung ihre Sparpläne damit, dass allein das UKGM in diesem Jahr eine Belastung des geplanten Ergebnisses von mehr als 10 Mio. Euro durch Verschlechterung externer Rahmenbedingungen hinnehmen müsse. Wenn dem so wäre, hätten entsprechende Angaben im Lagebericht des Jahresabschluss gemacht werden müssen. Das UKGM gehört schließlich zu einem börsennotierten Konzern. Der Jahresabschluss 2011 der Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH weist übrigens einen Jahresüberschuss i. H. v. 15,2 Mio. Euro aus nach 8,2 Mio. Euro im Jahre 2010 (25). Die Leistungszahlen des Klinikums sind allerdings beeindruckend:
Die Fallzahl stieg von 2006 bis 2011 um 10,9 %.
  • Die Umsatzerlöse stiegen um 24,6 %, entsprechend stieg auch die Summe der Kostengewichte um 24,8 %.
  • Der Personalaufwand stieg um 10,1 %.
  • Der Materialaufwand stieg um 48 %.
    Das EBITDA, also das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände, betrug 2007 3,5 Mio. Euro und stieg 2011 auf 47,9 Mio. Euro, also um 1.368 % (26).

    Spätestens an dieser Stelle müssen aber auch Fragen zur Zulässigkeit eines Gewinnstrebens im Krankenhaus gestellt werden:
    Darf eine Klinik Gewinn erwirtschaften?
  • Darf sie das Ziel einer Gewinnmaximierung verfolgen?
  • Darf dieser Gewinn dem System entzogen werden und an Aktionäre ausgeschüttet werden?
  • Ist es überhaupt ethisch vertretbar, ist es anständig, das Betriebsergebnis mit Lohneinsparungen zu maximieren, wenn die betroffenen Mitarbeiter anschließend Hilfe zur Grundsicherung beantragen müssen, um etwa beim Personal in den Servicebereichen die Einkommensverluste auszugleichen? (27)

    Eine weitere Frage stellt sich im Zusammenhang mit der von Unternehmen der privaten Krankenversicherung finanzierten Sana Kliniken AG: Darf sich eine private Krankenversicherung an einem Krankenhauskonzern beteiligen und die ausgeschütteten Gewinne, die mit Einnahmen aus Krankenhausbehandlungen gesetzlich Versicherter, die aus solidarisch aufgebrachten Zwangsbeiträgen erwirtschaftet werden, letztendlich zur Reduzierung der Beiträge Privatversicherter verwenden? Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim.

    Meine Damen und Herren,
    Privatisierungen laufen nicht mehr so erfolgreich ab wie früher. Die Privaten haben deshalb Methoden, Instrumente und Verhaltensweisen im Krankenhaus eingeführt, die früher denkunmöglich waren. Ich habe Ihnen einige Beispiele genannt. Für die kommunalen und freigemeinnützigen Träger haben die Privaten allerdings Vorbildcharakter, sie müssen das "Arsenal" an Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung sukzessive übernehmen, um im Wettbewerb zu bestehen. Hierzu gibt es mittlerweile viele Beispiele. Es bedarf deshalb nach meiner Meinung einer Analyse, inwieweit gemeinnützige Träger wirtschaftlich geschützt werden müssen, damit auch weiterhin eine humane, empathische und patientenorientierte Medizin, soweit sie reinen Kostenüberlegungen entgegensteht, möglich ist.

    Gestatten Sie mir noch einen Blick in die Zukunft. Ich glaube nicht, dass wir in nächster Zeit eine Privatisierungswelle erleben werden. Es gibt selbstverständlich Häuser, auch kommunale Häuser, die wirtschaftliche Schwierigkeiten haben. Davon berichtet z.B. die Presse in Ravensburg, München, Lüdenscheid. Es handelt sich dabei entweder um Kliniken mit überregionaler Aufgabenstellung oder/und um Häuser mit mehreren Betriebsstellen. Unter den derzeitigen DRG-Bedingungen fällt es wohl gerade großen Kliniken mit vielen Abteilungen und Spezialisierungen schwer, die notwendige Fallzahl in jeder Abteilung zu erreichen, um die Kosten zu decken. Man darf gespannt nach Wiesbaden schauen, wo die Stadt sich die Rhön Klinikum AG als Minderheitsgesellschafter ins Krankenhaus geholt hat, um die Verlustsituation zu beseitigen, ob auch dort die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Einkommensreduzierungen ihren Beitrag erst zur Sanierung und dann zur Gewinnerzielung leisten müssen. Schwierigkeiten drohen den Privaten auch durch ihr hohes Engagement in den neuen Bundesländern. Der starke Bevölkerungsrückgang lässt die Belegung in mancher neu erbauten Klinik auf ein unrentables Niveau sinken. Negativ machen sich darüber hinaus die bereits vor Jahren vollzogenen Schließungen der Krankenpflegeschulen bemerkbar. Es fehlt an qualifiziertem Pflegepersonal. Im Geschäftsmodell der Privaten spielt das Wachstum eine dominierende Rolle. Allerdings dürfte jedes Wachstum eine natürliche Grenze haben. Und der Gesetzgeber leistet seinen Beitrag, um Wachstum wirtschaftlich uninteressant zu machen, z.B. indem Mehrleistungen niedriger vergütet werden. Insgesamt trübe Aussichten für die Privaten, aber insgesamt sicher auch trübe Aussichten für alle Krankenhäuser. Diejenigen, die Gewinne machen, behalten und reinvestieren dürfen, sind im aber Vorteil. Und diesen Vorteil gilt es zu nutzen. Ich bin sicher, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden dabei engagiert helfen. Vielleicht auch bald wieder die Beschäftigten einer landeseigenen Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH. Meine besten Wünsche begleiten sie dabei.

    Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    Literatur- und Quellenhinweise
    1 Zur Unterscheidung zwischen materieller und formeller Privatisierung sowie zur Privatisierung des Städt. Krankenhauses Hürth vgl. Imdahl, Horst (1993): Privatisierung von Krankenhäusern, in: Arnold/ Paffrath (Hrsg.): Krankenhaus-Report `93. Stuttgart. S. 137 - 146.
    2 Handelsblatt vom 22.05.1986
    3 Quelle: Stat. Bundesamt (Hrsg.), Fachserie 12, Reihe 6.1.1 Grunddaten der Krankenhäuser 2011 (18.10.2012)
    4 Vgl. Lausitzer Rundschau vom 28.08.2012; taz vom 21.08.2012
    5 Vgl. Neue Westfälische vom 18.02.2012
    6 Vgl. z.B. FOCUS Online: http://www.focus.de/finanzen/news/wirtschaftsticker/Maerkte-unbefristeter-streik-bei-helios-servicegesellschaft_aid_804049.html; gleichlautende Berichte im NDR 1 Radio MV am 21.08.2012 sowie im Hamburger Abendblatt vom 30.08.2012
    7 Vgl. SHZ vom 24.04.2012
    8 Ebenda
    9 Vgl. Brandt, Yvonne: Helios will die Löhne kürzen, in: Westdeutsche Zeitung vom 5. März 2011
    10 Vgl. Helios Klinikum Krefeld GmbH: Jahresabschluss zum Geschäftsjahr vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2010. bundesanzeiger.de
    11 Vgl. Sana Kliniken Düsseldorf GmbH: Jahresabschluss zum Geschäftsjahr vom 1.1.2010 bis zum 31,12,2010. Bundesanzeiger.de
    12 Vgl. Posny, Ursula: Protest gegen Leiharbeit bei Sana. NRZ vom 08.10.2012
    13 Vgl. sana.de
    14 Krankenhausbetriebsgesellschaft Bad Oeynhausen mbH: Lagebericht gem. § 289 HGB zum Jahresabschluss zum 31.12.2008. bundesanzeiger.de
    15 Vgl. Carini, Marco: Brustoperation ohne Patientin. Taz vom 15.06.2011
    16 Eigene Berechnungen
    17 Vgl. Mittelbayerische vom 20.01.2011
    18 Vgl. Sana Kliniken Lübeck GmbH: Jahresabschluss zum Geschäftsjahr vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2010. bundesanzeiger.de
    19 Sana Klinikum Remscheid GmbH: Jahresabschluss zum Geschäftsjahr vom 1.1.2008 bis zum 31.12.2008. bundesanzeiger.de
    20 Vgl. Knittermeier, Frank: Paracelsus-Klinik bleibt - doch kein Verkauf. Hamburger Abendblatt vom 29.06.2012
    21 St. Elisabeth-Krankenhaus GmbH Bad Kissingen: Jahresabschluss zum Geschäftsjahr vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2010. bundesanzeiger.de
    22 Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH: Jahresabschlusses zum 31.Dezember 2011 sowie geänderten Lageberichts 2011. bundesanzeiger.de
    23 Vgl. Kaufmann, Katharina: Rhön ruft radikalen Sparkurs aus. Gießener Zeitung vom 27.02.2012
    24 Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH: a.a.O.
    25 Ebenda
    26 Die Jahresabschlüsse der Gesellschaft sind im Bundesanzeiger veröffentlicht (bundesanzeiger.de)
    27 Vgl. hierzu Schmidt, Henning: Krankenhaus - soziale Einrichtung oder Geschäftsidee. SHZ vom 8. Juli 2012. Brandt, Yvonne: Der bittere Preis der Privatisierung. Westdeutsche Zeitung vom 4. März 2011.
     
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